Date : 12/10/2018

Zu Gast:
Christine Karallus, Kunst- und Medienwissenschaftlerin, im Gespräch mit Andreas Rauth

Die Sichtbarkeit des Verbrechens

Mit der Kunst- und Medienwissenschaftlerin Dr. Christine Karallus beleuchten wir beim 28. Wunderblock die Geschichte der Tatortfotografie – ein ebenso spannendes wie noch wenig erforschtes Kapitel der Bild- und Mediengeschichte – und begeben uns dazu in die Räume der Polizeihistorischen Sammlung Berlin.

Jeder hat wohl schon erlebt, dass ihn sein Gedächtnis im Stich lässt. Doch selbst wenn die Erinnerung als Erinnerung einwandfrei funktioniert, ist es fraglich, ob nicht schon der ursprüngliche Eindruck falsch oder wenigstens lückenhaft war. Bekanntlich ist unsere Wahrnehmung selektiv und zudem täuschungsanfällig. Eine Fotografie kann – ebenso wie Tonaufzeichnungen – wertvolle Hilfe bei der Rekonstruktion eines Ereignisses leisten. Für die Kriminalistik hatte die Einführung der Tatortfotografie um die vorletzte Jahrhundertwende weitreichende und gewichtige Konsequenzen. Denn zuvor galt der richterliche Augenschein als maßgeblich für die Beurteilung der Tatortsituation, die einen wesentlichen Anteil bei der Wahrheitsfindung leistet, die schließlich zu Verurteilung oder Freispruch führt. Mit der Fotografie schien ein objektives Aufzeichnungsverfahren gefunden, das die Vorurteile und Unzulänglichkeiten der menschlichen Wahrnehmung beseitigt. Alsbald stellte sich heraus – und, in der Rückschau nach gut einhundert Jahren Erfahrung mit der Fotografie in sämtlichen Bereichen des persönlichen und gesellschaftlichen Lebens, kaum überraschend –, dass die Erwartungen an die Fotografie als Wahrheitsmedium überzogen waren, dass auch im fotografischen Bild eine subjektive Kraft waltet, und die Limitierungen der Technik Anlass zur Kritik oder Vorsicht geben.

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Wunderblock No.28, Die Sichtbarkeit des Verbrechens, 18. Oktober 2018, Veranstaltungsplakat.
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