Ich würde heute sagen, dass das Phänomen, um das letztlich meine Gedanken kreisen, der Zusammenhang zwischen dem Schöpferischen und der Regel ist. Die Spur dieses Zusammenhangs ist in der Sprache zu erkennen; seine Dynamik beruht auf der Einbildungskraft. Ich möchte auf alle Glieder dieser Behauptung besonderen Nachdruck legen. Dass das Schaffen, zu dem der Mensch befähigt ist, ein geregeltes, kein Schaffen ex nihilo, keine absolute Spontaneität ist, dafür zeugen die Hervorbringungen, von denen ich in allen diesen Büchern spreche, nämlich der Mythos, der Traum und die Dichtung in ihrer epischen, lyrischen oder dramatischen Form. In allen Fällen heißt schaffen mit Regeln kämpfen, sei es, um sich von ihnen leiten zu lassen, sei es, um sie zu überschreiten.
Paul Ricœr, Die lebendige Metapher
Diese Sätze des französischen Philosophen Paul Ricœr (1913–2005) haben es in sich; denn einer weit verbreiteten Annahme nach entzieht sich das künstlerische Schaffen der Einsicht und der Regel, es herrscht der Mythos des spontanen Einfalls aus den glücklichen, aber dunklen Regionen der einzigartigen Begabung.