Quay Brothers – In Absentia, fiktives Filmplakat. Eine Hommage
In Absentia
Im Jahr 2000 realisierten die Quay Brothers im Auftrag der BBC den knapp zwanzigminütigen Kurzfilm In Absentia zur Musik von Karlheinz Stockhausen. Das Ineinandergreifen der vornehmlich schwarz-weißen Bilder mit Stockhausens eindringlicher Komposition »Zwei Paare« macht den Film, in dem die Quays Live-action und Animation kombinieren, zweifellos zu einem Meisterwerk. Ich habe das Jubiläumsjahr 2020 zum Anlass genommen, um ein fiktives Filmplakat (in drei Varianten) als persönliche Hommage an diesen ganz besonderen Film zu gestalten.
Zentrale Figur des Geschehens ist Emma Hauck (1878–1909), die als Patientin der Psychiatrie Heidelberg nie abgeschickte Briefe an ihren Ehemann schrieb, welche nur aus den Worten »Herzensschatzi komm« oder »komm, komm« in endloser Wiederholung bestehen. Der Film thematisiert auf eindringliche Weise das Briefeschreiben unter den Bedingungen einer psychischen Krankheit als Akt äußerster Anspannung und drängender Sehnsucht.
In Absentia (UK 2000), Musik: Karlheinz Stockhausen. Regie und Drehbuch: Brothers Quay, Kamera: Brothers Quay, Musik: Karlheinz Stockhausen, »Zwei Paare«, Darsteller: Marlene Kaminski, Automaton & Setkonstruktion: Ian Nicholas, Produktion: Keith Griffiths; Koninck, BBC, Pipeline Films, 35 mm, Live action und Realszenen, Schwarz-Weiß und Farbe, 19 Min.
Emma Hauck
»Am 7. Februar 1909 kommt die dreißigjährige Frau – Mutter eines vier- und eines zweijährigen Kindes – erstmals in die Psychiatrische Klinik Heidelberg. Nach einem Monat wird sie nach Hause entlassen, wo sich ihr Zustand schnell wieder verschlechtert. Am 15. Mai erfolgt die zweite Einlieferung in die Heidelberger Klinik. Hier bleibt sie bis zum 26. August, bis sie als ‚unheilbar‘ in die Heil- und Pflegeanstalt Wiesloch (heute Landeskrankenhaus) überwiesen wird. Nahezu elf Jahre, den Rest ihres Lebens, verbringt Emma Hauck in der Wieslocher Anstalt, wo sie 1920 stirbt.
Ihre Briefe an den Ehemann entstanden während ihres zweiten Aufenthalts in der Heidelberger Klinik, von Mai bis August 1909. Die Krankenakte zu Emma Hauck berichtet, dass die Patientin ständig nach ihrem Mann frage und ihm schreiben wolle. Die Suche nach einer Verbindung zu ihrer bisherigen Lebenswelt, ihrem zu Hause, wird deutlich. Aber schon verliert sich die Sehnsucht im Sehnen selbst: Nach dem Verbleib ihrer Briefe – die nie zugestellt werden –, nach einer Verwirklichung der Sehnsucht nach ihrem Ehemann, einer realen Kontaktaufnahme, fragt Emma Hauck nicht mehr.«1